Nothilfe für die Untere Lobau: Entschlammung

Die Untere Lobau verlandet unaufhörlich und immer schneller. Der Wasserzufluss fehlt, die Gewässer werden jedes Jahr kleiner. Schlamm, Schilf, Seerosen und Riedgräser verwandeln die Wasserflächen Schritt für Schritt in trockenes Land. Damit verliert die Lobau ihren Charakter und ihren Wert. Was tun dagegen?

Bis zur Einspeisung von Wasser aus der Neuen Donau wird es – falls die Stadt dem jemals zustimmt – noch Jahre dauern. Es gäbe gewissermaßen unzählige gravierend wunderbare Argumente, warum dies nicht möglich sei. Etwas zu verhindern ist in gut betonierten Strukturen wie der Wiener Stadtregierung mutmaßlich behaglicher, als etwas zu ermöglichen.

Hier ein bisher unbesprochener Vorschlag, der im Sterben befindlichen Unteren Lobau auf die Schnelle zu helfen. Es braucht lediglich eine politische Entscheidung – und natürlich den Willen, auch Geld zu investieren. Die Zauberworte heißen: Entschlammung und Entlandung.

Gewässer, die verlanden, können nämlich auch wieder technisch entlandet werden – und zwar erprobterweise, wissenschaftlich begleitet und naturschutzkonform.

Entlanden heißt, den fatalen Prozess wieder rückgängig zu machen, jedenfalls die dicke Schlammschicht am Grund des Gewässers abzusaugen, eventuell See- bzw. Teichrosenwurzeln zu entfernen, sowie Schilf und Gräser auszugraben.

Warum also nicht die Notlage der Untere Lobau als Rettungseinsatz durch Entlandung entschärfen?

Je länger man wartet und untätig bleibt, umso größer ist der Schaden für die Biodiversität, umso schwieriger wird es, den Wert des Wiener Nationalpark-Anteils zu bewahren.

HELDENTAT KAISERWASSER

Entlandung bzw. Entschlammung sind keineswegs Raketenwissenschaft. Sie wurden von der Stadt Wien schon vor Jahrzehnten praktiziert:

Ende der 1970er, Anfang der 1980er-Jahre zum Beispiel wurde in der Alten Donau, im unteren Mühlwasser und im Kleinen Schillloch gleich neben der ehemaligen ÖBB-Haltestelle Lobau Schlamm abgesaugt. 1983 wird im 14. Bezirk das Naturdenkmal Heschteich durch Absaugen von Schlamm nachhaltig saniert.

Die spektakulärste Entschlammung fand 1995 im Donaustädter Kaiserwasser statt. Das beliebte Badegewässer litt zu dieser Zeit unter einer bis zu zwei Meter dicken Schlammschicht und drohte seine Tauglichkeit für Fische und Badegäste zu verlieren.

Die Magistratsabteilung 45 (Wiener Wasserbau) heuerte deshalb ein acht Meter langes Saugboot an, das den Schlamm über ein halbes Jahr hinweg aus dem Kaiserwasser vorsichtig, mit Wasser vermischt, über eine Rohrleitung in die Donau pumpte.

Das Ganze geschah unter aufmerksamer Kontrolle und nach strengen Kriterien: Der Sauerstoffgehalt des Wasser-Schlammgemisches durfte zum Beispiel 6 mg pro Liter nicht unterschreiten und der Schwebstoffgehalt der Donau durfte sich nur um maximal zehn Prozent erhöhen.

Das Projekt Kaiserwasser war erfolgreich, die Stadt konnte stolz auf sich sein: 25.000 bis 30.000 Kubikmeter Schlamm wurden entfernt und das Gewässer auf diese Weise für Tiere, Pflanzen und künftige Generationen gesichert.

Die Entschlammung des fünf Hektar großen Kaiserwassers war seinerzeit noch eine Art Heldentat. Mittlerweile sind Entschlammung und Entlandung von wertvollen Gewässern eine geübte Naturschutz-Praxis.

ENTLANDEN ALS NATURSCHUTZ-WERKZEUG

Bei größeren Wasserflächen geht man es vom Schiff aus mit Hydraulikbaggern an, bei heikleren, kleinen Gewässern auf schonendere Weise mit schwimmenden Saugbaggern.

Gewässerökologe Martin Mühlbauer: „Wir haben den Wallseer und den Ottensheimer Donaualtarm sowie das Altwasser in der Schildorfer Au nahe Passau mit Hydraulikbaggern großflächig vertieft und strukturiert. Mit schwimmenden Saugbaggern wurden zuletzt die Donaualtwässer Ziegelofenwasser/Kronau bei Tulln, die sogenannten Hößgang Kastln an der Donau und der Altenwörther Altarm entlandet.“

Ende 2021 wurde ein geschütztes Au-Gewässer am Inn (Reichersberger Au) im Rahmen eines EU-Projektes und als “Notmaßnahme” für Fische und andere wasserlebende Tierarten von Verlandungsmerkmalen befreit. Würde man der Verlandung nicht entgegenwirken, so hieß es, würden sich die betroffenen Wasserflächen zu Wäldern entwickeln.

Statement des leitenden Gewässerökologen Gerald Zauner: „Entlanden ist eine wichtige Naturschutzmaßnahme.“

Das idyllische, ebenfalls fünf Hektar große Ziegelofenwasser bei Tulln wurde 2019 durch technische Entlandung als Wasserlebensraum gerettet.

Dorith Breindl vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft sprach damals vom „ökologisch hohen Stellenwert“, den das Projekt hätte, da „das Altarmsystem ein wichtiger Lebensraum“ sei.

Sie war nicht als einzige dieser Meinung: An den Kosten von etwa 600.000 Euro beteiligten sich das Bundesministerium, das Land Niederösterreich, die Marktgemeinde Langenrohr, die Verbund Hydro Power GmbH, der Niederösterreichische Landesfischereiverband, die Österreichische Fischereigesellschaft und die Fischereigesellschaft Kronau.

60.000 Kubikmeter Schlamm aus dem Ziegelofenwasser wurden mit Hilfe eines schwimmenden Tauchbaggers über ein Jahr hinweg nach Muster der Entschlammung des Kaiserwassers über ein Rohr in die Donau verbracht. Die ursprüngliche Tiefe des Ziegelofenwassers von eineinhalb bis drei Meter wurde wiederhergestellt.

LOBAU: LEIDER NICHT

Dass Entlanden und Entschlammen auch in Wien grundsätzlich finanzierbar und in der Praxis durchführbar ist, zeigt das bis 2024 laufende EU-Projekt LIFE DICCA, das den negativen Auswirkungen des Klimawandels an der Donauinsel entgegenwirken soll. Im Rahmen dieses Projekts wurden 2022 am donauseitigen Ufer der Donauinsel fünfzehn naturnahe Buchten und Nebenarme entlandet. Dabei kamen Saug- und Schwimmbagger zum Einsatz. 20.000 Kubikmeter Schlamm und Sand wurden in den Hauptarm der Donau gepumpt. Der Anlass dafür, laut Aussendung der Stadt: „Die Verlandung und das Trockenfallen von Tümpeln bedrohen diese für Fische und Amphibien so wichtigen Lebensräume.“

Die Fisch- und Amphibien-Lebensräume der Unteren Lobau scheinen nicht ganz so wichtig zu sein, denn sonst wäre dort schon längst Ähnliches geschehen.

Dabei könnte die Stadt gerade hier im Nationapark stolz ihr Herz als „Umweltmusterstadt“ zeigen, indem sie zumindest einige wenige, wertvolle Hotspots der Artenvielfalt auf diese Weise sanieren ließe:

  • Das sogenannte Schwarze Loch etwa, gleich am Donauradweg gelegen. Nur viertausend Quadratmeter groß, aber voller Leben – und voller Schlamm.
  • Oder den sechs Hektar großen Kern des soeben an Schlamm, Schilf und Seerosen zugrunde gehenden Eberschüttwassers.
  • Oder das nur noch vage als Gewässer zu erkennende Mittelwasser.

Ob die Zielgewässer nun eher in Donaunähe liegen oder weiter landeinwärts, spielt technisch kaum eine Rolle. Der Schlamm kann über eine beliebig lange Rohrleitung in die Donau entsorgt werden. Das manchmal dargelegte Schreckensszenario, dass im Zuge des Entschlammens Hunderte LKWs die Lobau queren müssten, um den abgesaugten Schlamm Kubikmeter für Kubikmeter unter hohen Kosten zu Sondermüll-Deponien zu transportieren, ist ein alter Hut.

Fotos: Martin Mühlbauer, Kurt Kracher, Symposiumsband Wiener Wasserbau 13./14. Mai 1997

Leave a Comment